Was sind Probiotika?

Unser Darm ist eines der wichtigsten Organe in unserem Körper und weit mehr als als nur “Verdauungsorgan”. Ein Ungleichgewicht im Darm und besonders der darin lebenden Bakterien, kann einen Einfluss auf die physische und auch psychische Gesundheit haben. Sie regeln nicht nur unser Immunsystem, sondern auch unsere Stimmung und Emotionen, zumindest zum einem Teil.
Jeder Mensch trägt mehr als ein Kilo nützlicher Bakterien mit sich herum, trotzdem gibt es für die Wissenschaft in diesem Gebiet noch sehr viel zu erforschen. Auch unsere Lebensmittel sind, natürlich oder künstlich oft mit “Probiotika” oder “probiotischen Kulturen” versetzt, allen voran natürlich viele Milchprodukte und Joghurts. Doch auch als “functional food”, also Lebensmittel mit Zusatznutzen, haben Probiotika oder neue Lebensmittel die mit Probiotika ergänzt wurden eine stetig wachsende Bedeutung. In der Werbung sehr bekannt sind da, zum Beispiel Actimel, LC1, Activia oder auch ProVit.

Und doch gibt es eine Menge Fragen, die wir für Sie in den Artikeln dieses Blogs recherchiert und zusammengetragen Haben. Welche Arten von Probiotika gibt es überhaupt? Was ist der Unterschied zwischen Probiotika und Präbiotika? Wie wirken Probiotika? Sind Probiotika sicher und gibt es Nebenwirkungen? Wobei kann mir eine Behandlung mit Probiotika überhaupt helfen?


▶ Was sind Probiotika?

Der Begriff “Probiotika” ist ein zusammengesetztes Kunstwort, das sich aus dem griechischen “pro” und “bios”, was soviel wie “für das Leben” heisst, ableitet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Probiotika als eine Zubereitung von verschiedenen Mikroorganismen die in lebender Form verzehrt einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben können. In den meisten Probiotika sind das Bakterienstämme, die allgemein für “gut” und damit der Gesundheit förderlich eingestuft werden. Im allgemeinen denkt man beim Thema Bakterien eher an die “schlechten”, die mitunter ernsthafte Erkrankungen verursachen können.

In unserer Darmflora befinden sich immer sehr viele Bakterien beider Arten, die in einer Art Symbiose mit unserem Organismus leben. Eine Störung dieses Gleichgewichtes, kann daher einen Einfluss auf unsere Gesundheit und unsere Wohlbefinden haben, aber auch Krankheiten verursachen oder begünstigen. Das Verhältnis zwischen den guten Bakterien und den schlechten Bakterien, auch pathogene Keime genannt, sollte mindestens 85% zu 15% betragen.

Quelle:  Youtube / biotechgermany

Durch ungesunde oder schlechte Ernährung, Stress oder auch andere Einflüsse, wie zum Beispiel die Einnahme von bakteriostatisch wirkenden Antibiotika, kann sich dieses Gleichgewicht aber verschieben und die schädlichen Mikroorganismen gewinnen die Überhand in der Besiedelung des Darms. Dies kann sich in einer Vielzahl von Beschwerden äußern, von Verdauungsbeschwerden über Hauterkrankungen und Ekzeme bis hin zu Depressionen oder Angstzuständen. Auch ein gestörtes Immunsystem mit häufigeren Infekten kann mit einer gestörten Darmflora zusammenhängen.


▶ Wie hängen der Darm, das Immunsystem und das Gehirn zusammen?

In unserem Darm existieren in der Regel mehr als 400 Arten von Bakterien – gleichzeitig die in Symbiose, Wechselwirkung und Verdrängung zueinander stehen. Betrachtet man die Dimensionen des Darms, der ausgerollt ungefähr die Größe einen Tennisplatzes einnehmen würde, und der Menge an Bakterien, mehr als ein Kilo, wird klar wieso der Darm und die Darmflora einen so großen Einfluss auf den Rest des Körpers, bis hin zum Gehirn, haben kann. Laut Studien befinden sich 70% des körpereigenen Immunsystems im Darm, für dessen Funktion natürlich auch die Bakterien mitverantwortlich sind. Zudem durchzieht den Darm ein komplexes System von Nervenzellen, das in dieser Dichte sonst nur im Gehirn zu finden ist.

Dieses “Darmhirn” wird wissenschaftlich “enterisches Nervensystem” genannt und besitzt beim Menschen bis zu fünfmal mehr Neuronen als etwa das Rückenmark. Dieses eigenständige Nervensystem ist Teil einer dünnen Schicht zwischen den Muskeln des Verdauungssystems. Es kann vollständig autonom, also losgelöst von den Steuerungsbefehlen des Gehirns, arbeiten, unterliegt aber den Einflüssen des Sympathikus, dem sympathischen Nervensystem, und dem Parasympathikus, dem enterischen Nervensystem. Aufgabe des “Darmhirns” ist die Steuerung der Darmbewegung, der Sekretion und Absorption, des Blutflusses im Darm und der immunologischen Funktion.

Dadurch sind das Gehirn und der Darm über Nerven ganz eng miteinander verbunden und ein wichtiger Teil des menschlichen vegetativen Nervensystems. Daher kann sich eine Störung in der Darmflora auch mitunter in vielschichtigen Symptomen äußern.

Der Einsatz von Probiotika ist daher schon ein wichtiger Teil in vielen Behandlungen und wird auch noch intensiv erforscht. So gibt es zum Beispiel auch eine Verbindung zwischen Stress und Probiotika, der sogar zu einem ganzen Forschungszweig, der Neurogastroenterologie, geführt hat. Eine Meta-Studie mit dem etwas sperrigen Namen “Effekt von Probiotika auf zentralnervöse Funktionen bei Tier und Mensch” hat dazu bereits erste vielversprechende Ergebnisse gebracht. Nach der Auswertung von 38 Studien kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Gabe von ausgesuchten Bifidobakterien (Bifidobacterium (B. longum, B. breve und B. infantis) und Lactobacillus (L. helveticus und L. rhamnosus) über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen eine “Wirksamkeit bei der Verbesserung von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit psychiatrischen Störungen, einschließlich Angst, Depression, Autismus-Spektrum-Störung (ASD), Zwangsstörungen und Gedächtnisleistung” hervorrufen kann.


▶ Probiotika und das Immunsystem

Probiotische Mikroorganismen können die Barrierefunktion der Darmwand erhöhen indem sie sich dort ansiedeln und in großer Zahl vermehren. Dadurch wird verhindert, dass sich Krankheitserreger ebenfalls an der Darmwand anheften und diese durchdringen. Zudem konkurrieren die Mikroorganismen mit den Krankheitserregern um Nährstoffe und kontrollieren so Ihre Anzahl indirekt.


▶ Welche Arten von Probiotika gibt es?

Probiotika sind meist Bakterienstämme, also lebensfähige Mikroorganismen, aber auch bestimmte Hefen und andere Spezies können als Probiotika bezeichnet werden. Schon seit vielen Jahrzehnten wird im Bereich der Probiotika geforscht, in den letzten Jahren haben sich die Forschungen nach ersten Erfolgen allerdings intensiviert. Zu den wichtigsten Probiotika gehören Laktobazillen, Chlostridien, Enterokokken und Escherichia Coli.

Laktobazillen

Laktobazillen Probiotika
Lactobacillus acidophilus Bild: Bob Blaylock, CC BY-SA 3.0

Laktobazillen gehören zu den so genannten grampositiven Bakterien und sind meist stäbchenförmig und gehören zur Gattung der Milchsäurebakterien. Sie sind in Lebensmitteln besonders wichtig, da sie Zucker zu Milchsäure abbauen (Milchsäuregärung).
Laktobazillen finden sich in vielen Lebensmitteln, zum Beispiel in Sauerkraut (milchsauer vergoren), Joghurt und auch anderen fermentierten Lebensmitteln.
Beim Menschen kommen Laktobazillen in der Regel in allen Teilen des Verdauungstraktes sowie im Harntrakt vor.

Oft in Probiotika eingesetzte Laktobazillen sind:

Laktobazillen werden als Probiotikum  bei folgenden Beschwerden häufig eingesetzt:

  • Reizdarmsyndrom
  • Hauterkrankungen
  • Ekzeme
  • Durchfall, durch Antibiotika oder auf Reisen
  • Präventiv bei Atemwegsinfekten
  • Präventiv bei Pilzinfektionen

Bifidobakterien

Bifidobakterien unter dem Mikroskop
Bild: Y tambe, CC BY-SA 3.0

Bifidobakterien besiedeln das Verdauungssystem und können vor Bakterien und Krankheitserregern schützen. Sie sind sehr wichtig und machen fast 25% der Darmflora aus. Neben der Einnahme von Probiotika, kann die Anzahl der Bifidobakterien auch durch den Verzehr von reichlich unverdaulichen Kohlenhydraten gesteigert werden.
Bisher sind etwas über 30 Arten von Bifidobakterien bekannt. Bisher gelten Bifidobakterien als nicht pathogen, also nicht schädlich für den Menschen.

Oft in Probiotika eingesetzte Bifidobakterien sind:

  • Bifidobacterium Infantis
  • Bifidobacterium Adolescentis
  • Bifidobacterium Bifidum
  • Bifidobacterium Lactis
  • Bifidobacterium Longum
  • Bifidobacterium Pseudolongum
  • Bifidobacterium Breve
  • Bifidobacterium Infantis
  • Bifidobacterium Thermophilum
  • Bifidobacterium Pseudolongum

Bifidobakterien werden als Probiotikum  bei folgenden Beschwerden häufig eingesetzt:

  • Reizdarmsyndrom
  • Verbesserung der Cholesterinwerte
  • Verbesserung der Glukosetoleranz
  • Stimulation des Immunsystems
  • Behandlung von Scheideninfektionen

Weitere Arten von Probiotika

Saccharomyces boulardii, auch Arznei-Hefe genannt, ist eine Hefe, die als probiotisches Mittel unter anderem gegen Durchfall oder vorbeugend bei der Einnahme von Antibiotika eingesetzt werden kann. Nach der Einnahme besiedelt Saccharomyces boulardii innerhalb weniger Stunden den Verdauungstrakt und hemmt und verdrängt dadurch andere Erreger, die ursächlich für Durchfallerkrankungen sein können. Am bekanntesten ist wohl Perenterol forte, dass Saccharomyces boulardii enthält Eine weitere Hefe-Art, die ähnlich eingesetzt werden kann ist  Saccharomyces cerevisiae, die auch als Backhefe bekannt ist.

Escherichia coli, auch Kolibakterium genannt, kommt üblicherweise im menschlichen Dickdarm vor, aber in wesentlich geringerer Zahl als Laktobazillen oder Bifidobakterien. Da Kolibakterien von Immunsystem als fremd erkannt werden, wirken sie stimulierend und können die Abwehrkräfte steigern. Neben den für den menschlichen Organismus guten Kolibakterien gibt es aber auch eine große Anzahl an Kolibakterien, die beim Menschen Durchfall auslösen können.
In der Medizin werden Kolibakterien unter anderem bei Colitis ulcerosa, einer entzündlichen Darmerkrankung, eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist Mutaflor.

▶ Was sind Präbiotika und Symbiotika?

Präbiotika werden die Nahrungsmittel genannt, die probiotische Bakterien zum Überleben und zum Wachstum benötigen. Daher ist es sehr sinnvoll bei der Einnahme von Probiotika auch auf dazu passende Präbiotika zu achten. Präparate die sowohl Probiotika als auch Präbiotika enthalten nennt man Synbiotika.

Präbiotische Lebensmittel

Natürlich kann man Präbiotika, also die Nahrung für Probiotika auch ganz normal über die eigene Nahrung zu sich nehmen. Wichtig dabei ist, dass das Lebensmittel nicht bereits komplett im Magen abgebaut und resorbiert wird, sondern den Darm erreicht.

Folgende Lebensmittel gelten als präbiotisch:

  • Pastinaken
  • Chicorée
  • Schwarzwurzeln
  • Topinambur
  • Artischocken (Inulin)
  • Zichorienwurzel
  • Knoblauch
  • Porree
  • Weizenkleie
  • Bananen
  • Zwiebeln

Wichtig ist, dass die präbiotischen Lebensmittel möglichst frisch verzehrt werden. Anfangs kann es zu Blähungen kommen, die sich aber im Laufe der Ernährungsumstellung wieder legen.

▶ Probiotische Lebensmittel

Als probiotische Lebensmittel werden Lebensmittel bezeichnet, die probiotische Bakterien enthalten. Dazu zählen zum Beispiel viele Käsesorten, Milchprodukte oder auch Sauerkraut. Die wichtigsten probiotischen Lebensmittel haben wir in einem Artikel für Sie zusammengestellt.

▶ Probiotika bei Erkrankungen

Mittlerweile werden Probiotika zur Behandlung bei verschiedensten Erkrankungen eingesetzt. Von Allergien über Angstzustände bis hin zu Fettleibigkeit können Probiotika unterstützend helfen. Mehr dazu finden Sie in unserem Artikel Wirkung von Probiotika bei Krankheiten.

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